Vom Azubi zum Chef. In wohl keiner Branche kann das besser klappen als in der Hotellerie. Rafael Schittler vom Filser Hotel in Oberstdorf erzählt, wie es bei ihm war. Und gibt gleich noch ein paar Tipps zum Durchstarten.
„Ich wusste schon ganz am Anfang meiner Ausbildung: Mit 30 will ich Hotelmanager sein.“ Rafael Schittler ist vor allem eines: zielstrebig. „Durch meinen Drang zur Kommunikation war ich in der Schule nicht unbedingt besonders gut“, sagt der Allgäuer und lacht. „Also habe ich mir nach der zehnten Klasse einen Ausbildungsplatz gesucht.“ Nicht irgendwo, sondern gleich in der Sonnenalp, dem vielleicht bekanntesten Hotel im Allgäu. Er wollte Hotelkaufmann werden – und bekam die Stelle. „Die Hotellerie war für mich eine ganz andere, einfach die große, weite Welt. Und nach der Schule war ich erstmal voll vor den Kopf gestoßen. Ich habe gefühlt ein Jahr gebraucht, bis ich gecheckt habe, worum es eigentlich ging.“ Aber kommt eine Lawine ins Rollen, hält sie nichts mehr auf. „Schule war oft abstrakt, in der Ausbildung war das Gelernte plötzlich in die Praxis übersetzbar. Das fand ich dann total spannend – und war dann auch richtig gut.“
Nach der Ausbildung zum Hotelkaufmann steht einem die Welt offen. Die ganze Welt. Rafael wollte in die USA. Davor machte der heute 29-Jährige noch eine Zwischenstation in Seefeld. Nach der Sommersaison im Hotel Klosterbräu hieß es dann: USA! Vail! Sonnenalp! „Ich machte dort ein einjähriges Trainee-Programm, bei dem du jeweils drei Monate in unterschiedlichen Abteilungen im Hotel arbeitest – Rezeption, Nachtportier, Concierge, Bellman“, erzählt Rafael. „Das kann ich allen angehenden Hotelfachleuten nur wärmstens empfehlen!“ Der Allgäuer wurde nach seinem Traineeship direkt übernommen – und blieb schließlich dreieinhalb Jahre in Vail. Auch, weil er seine Frau dazu begeistern konnte, mit ihm nach USA zu gehen. Im dritten USA-Jahr heirateten die beiden auf Hawaii. „Aber irgendwann wollten wir beide wieder nach Good Old Germany“, erzählt Rafael. Also ab nach München und ins Kempinski Vier Jahreszeiten München – als Food and Beverage Coordinator. „Rezeption finde ich sehr spannend. Aber meine größte Leidenschaft sind Speisen und Getränke.“
Immer neue Perspektiven. „Meine Frau fand in München nichts Passendes, also gingen wir nach Zürich. Da war ich 23.“ Das Steigenberger Haus war viel kleiner als die Sonnenalp und das Vier Jahreszeiten, aber Rafael bekam vom Chef viele Freiheiten und konnte ein komplettes Team neu aufbauen. „Nach drei Jahren als F&B Manager hatten wir zwei Restaurants, 16 Gault-Millau-Punkte – und den besten Burger der Schweiz“, erzählt Rafael Schittler. Aber das Fernweh kitzelte schon wieder. Also ab nach Kanada. Ins Fairmont Chateau Whistler, einem Riesenhaus mit 1500 Betten. Rafael hatte als Director of Restaurants 90 Angestellte und vier Manager unter sich – und die Verantwortung des „Beverage program“ für das ganze Hotel. Jeden Abend 300 Essen, jeden Morgen 500 Frühstück...
Dieses riesige Hamsterrad mit 16-Stunden-Tagen war dann sogar dem stresserprobten Vollgasallgäuer eine Nummer zu groß. „Bisher war ich immer der, der einen Haufen Scherben wieder zusammensetzt. Hier war ich nur ein kleines Rädchen im Hotel-Getriebe.“ Statt Kreativität ging es um die präzise Taktung standardisierter Arbeitsabläufe. Das Angebot, sich für weitere drei Jahre im Fairmont aufzuarbeiten – und dafür kanadischer Staatsbürger zu werden – lehnte Rafael dankend ab. Auch der Traum vom eigenen kleinen Hotel oder einer biodynamischen Farm blieb einer. Die Schittlers wollten nach einem Jahr Kanada wieder heim. Auch weil Nachwuchs unterwegs war.
Über den kurzen Umweg über das Biohotel Eggensberger am Hopfensee landete Rafael Schittler vor zwei Jahren im Filser Hotel in Oberstdorf. Die Hotellerie-Welt ist ein Bierdeckel, jeder kennt jeden. Und Rafael wusste, dass Michael Thanner vom Filser Hotel einen stellvertretenden Geschäftsführer suchte. „Das ging dann alles recht schnell.“ Was ihm am Hotel Filser am besten gefällt? Dass er was bewirken kann. Und dass der Chef – der auch erst 41 ist – sagt: „Hey, ich vertrau dir. Mach das!“ Und Schittler macht das dann so, wie wenn das Hotel seines wäre. „So habe ich das irgendwie immer gemacht.“
Es gibt viel zu tun: Eben baut Schittler den Ablauf des Restaurantbetriebs komplett um, inklusive digitalem Buchungssystem für Restauranttische und neuem Korrespondenzsystem für die Kommunikation mit den Gästen an der Rezeption. Zudem bringt er die Personalverwaltung ins dritte Jahrtausend, führt zeitgemäße Mitarbeiterbenefits ein und bereitet ein Rebranding vor. „Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass wir in den nächsten Jahren hier in Oberstdorf der Platzhirsch sein können.“ Und was macht ein vielbeschäftigter Stellvertretender Geschäftsführung in seiner knappen Freizeit? „Ich habe mich parallel zum Hotel mit meiner Frau in Langenwang selbstständig gemacht“, erzählt der 29-Jährige. Jahrelang hegten die Schittlers den Traum von der eigenen kleinen Ferienpension. Vor einem Jahr wurde nun aus dem Traum Wirklichkeit. Da gibt’s viel zu tun! Aber wie gesagt: Rafael Schittler ist vor allem eines: zielstrebig.
TIPP 1: Wenn du Schwächen hast, dann konzentriere dich auf sie und mache sie zu deinen Stärken. Beispiel Mathe. In der Schule war ich in Rechnen nie so gut. Heute sind Kalkulationen eine meiner Stärken, weil ich mich damit beschäftigen habe. Ich suche immer genau das, wo ich vielleicht nicht der Beste bin. Und dann zwinge ich mich, daran zu arbeiten.
TIPP 2: Du musst dir darüber im Klaren sein, dass alles, was du im Hotel tust (und nicht tust) von allen Gästen und Kollegen beobachtet wird. Du stehst also wie auf einer Bühne. Da tut es ganz gut, wenn man sich wie eine Maske aufziehen kann – aber ohne sich zu verstellen. Die musst du aber, wenn du nach Hause gehst, unbedingt ablegen!
TIPP 3: Meine Führungsstrategie ist ganz einfach: Vertrauen schaffen, Loyalität gewinnen und dann Leistung einfordern!
TIPP 4: Es gibt kein Problem, es gibt nur eine Lösung. Mir geht es immer darum, nicht nur Probleme darzustellen, sondern gemeinsame Lösungen zu finden. Wichtig dabei ist dabei die „open door“. Bei mir kann man immer offen über alles reden. Das motiviert.